Zur Arbeit mit dem Fahrrad? – Die sächsische Staatsregierung verschläft einen Trend

„Immer mehr Menschen kombinieren ihre Wege zur Arbeit mit Bahn und Fahrrad. Zumindest in den sächsischen Großstädten lässt sich dieser Trend belegen. Wer die Zahl radfahrender Pendler und Pendlerinnen signifikant erhöhen will, muss v.a. drei Dinge tun: an den Umsteigepunkten zu Bus und Bahn Fahrradstationen fördern, am Arbeitsplatz der Pendler und Pendlerinnen sichere wetterfeste Radabstellanlagen anbieten und die Risiken für Radfahrende senken durch ausreichende sichere Radwege. Momentan befürchte ich allerdings, dass die sächsische Staatsregierung diesen Trend verschläft“, kommentiert Katja Meier, verkehrspolitische Sprecherin der GRÜNEN Landtagsfraktion die aktuellen Entwicklungen.

Ganz düster sieht es in Sachsen beim Thema Fahrradstationen aus.

Fahrradstationen sind überdachte und bewachte Abstellanlagen für Fahrräder, die über das reine Abstellen hinaus weitere Dienstleistungen anbieten. Das können z.B. Reparaturen, Reinigung oder Gepäckaufbewahrung sein, aber auch andere Dienstleitungen, wie Fahrradverleih sein.

Es gibt in ganz Sachsen aktuell keine einzige Fahrradstation.

„Vor allem Pendler profitieren von diesen sicheren Abstellmöglichkeiten an Bahnhöfen, denn drohender Fahrraddiebstahl ist für viele Menschen ein Hemmnis, das Fahrrad in ihre Wege zur Arbeit zu integrieren.
Viele Bundesländern haben deshalb Programme zum Bau von Fahrradstationen aufgelegt. Allein in NRW gibt es momentan 72 Radstationen, deren Bau durch ein Landesprogramm unterstützt wurde.
Aber auch der Blick in die Nachbarländer kann helfen. So gibt es in Erfurt bereits seit 2009 ein hervorragend ausgelastete Fahrradstation am dortigen Hauptbahnhof.

Die Baukosten können je nach Ausstattung und Größe zwischen 200.000 und 2 Mio. Euro betragen. Hier braucht es dringend nach dem Vorbild anderer Bundesländer finanzielle Unterstützung für die sächsischen Kommunen.

Noch 2014 hat der Freistaat in der Radverkehrskonzeption Sachsen den sächsischen Kommunen Unterstützung bei der finanziellen Förderung von Fahrradstationen zugesichert, denn:
„Höherwertigen Angeboten wie verschließbaren Fahrradboxen, bewachtem Fahrradparken und Fahrradstationen kommt an wichtigen Zielpunkten und den Schnittstellen zum öffentlichen Verkehr eine wachsende Bedeutung zu.“ (Radverkehrskonzeption für den Freistaat Sachsen 2014)
„Dass die Staatsregierung nur zwei Jahre nach Verlautbarung ihrer Zielvorgaben die Fördermöglichkeiten für Radstationen komplett verweigert, zeigt vor allem eins: Die Förderung des Radverkehrs ist nicht Chefsache in Sachsen“, erklärt Meier. „Offensichtlich sind dem Verkehrsminister seine eigenen Beschlüsse nichts wert.“

„Wir GRÜNEN wollen sächsische Kommunen unterstützen, moderne Fahrradstationen an Knotenpunkten des öffentlichen Nahverkehrs einzurichten. An bedeutenden Umsteigepunkten sollten sie zum Standard werden. Dazu muss das Wirtschaftsministerium seine Richtlinie „Kommunaler Straßen- und Brückenbau“ (RL KstB) überarbeiten und die Förderung beim Bau von Fahrradstationen ermöglichen. Das wäre ein wichtiger Schritt, damit die vorhandenen Fördermittel endlich auch ausreichend genutzt werden.“

„Überdachte, barrierefreie und diebstahlsichere Radstellplätze an den großen Immobilien des Freistaates aber auch großer privater Arbeitgeber sind in Sachsen noch Ausnahmen.
Die GRÜNE Landtagsfraktion fordert an allen vom Freistaat genutzten Liegenschaften, bei denen ein Zu- oder Abgangsverkehr von Fahrrädern zu erwarten ist, wetterfeste Fahrradabstellanlagen in ausreichender Anzahl, Dimension und Qualität zu schaffen.“

Ein weiteres Manko sieht die Abgeordnete im mangelnden Interesse der Staatsregierung an wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema:
„Sachsen ermittelt im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern die Entwicklung des Modal Split, also des Anteils bei der Verkehrsmittelwahl, nicht getrennt nach Fußverkehr und Radverkehr. Das ist absurd und zeigt, welchen geringen Stellenwert beide Verkehrsarten hier haben.“

„Sachsen hat grundsätzlich einen riesigen Nachholbedarf bei Radwegen.
Bundesweit verfügen 25 Prozent der Landesstraßen über Radwege, in Sachsen liegen diese Werte derzeit bei lediglich 10,8 Prozent. Von 4.750 Kilometern Staatsstraße verfügen lediglich 496 Kilometer über Radwege. (http://radverkehr.sachsen.de/10435.html) Um bis Ende 2025 beim Ausstattungsgrad von Staatsstraßen mit Radwegen den bundesweiten Durchschnitt zu erreichen, müsste Sachsen jährlich 70 km Radwege bauen. Davon sind wir momentan meilenweit entfernt.“

Die Bilanz eigener Aktivitäten des Freistaates beim Radwegbau ist erschreckend:
Das für den Bau von Radwegen an Staatsstraßen zuständige Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV), das Sachsens Baulastträger und Planungsbehörde ist, hat 2014 für nur 393.000 Euro Radwege gebaut, obwohl 1 Mio. Euro dafür eingestellt waren. 61 Prozent der Mittel blieben ungenutzt.
2015 und 2016 waren jeweils 4 Mio. Euro eingestellt. 2015 gelang es dem LASuV davon, mit 1,26 Mio. Euro Radwege zu bauen. 69 Prozent der Mittel wurden nicht abgerufen.
Bis Ende Mai 2016 waren 380.700 Euro der 2016 vorhandenen 4 Mio. Euro umgesetzt. Geht es in diesem Tempo weiter, werden 2016 ca. 77 Prozent der verfügbaren Mittel zurück in die Kassen des Finanzministers fließen.
Woran es im LASuV offensichtlich fehlt, sind ausreichende Planungskapazitäten und Fachkräfte, die sich ausschließlich mit Radverkehr beschäftigen. Doch statt neue Stellen zu schaffen, sollen laut vorliegendem Entwurf des Doppelhaushalts für die Jahre 2017/18 im LASuV in den kommenden beiden Jahren 17 Stellen abgebaut werden.

Auch bei der Förderung der kommunalen Radwege sieht es düster aus.
2014 wurden von den vorhandenen 2,5 Mio. Euro, nur 1 Mio. Euro ausgegeben. Damit wurden 60 Prozent nicht genutzt.
Diese Entwicklung verschlechterte sich noch: 2015 wurden nur 600.000 Euro für kommunalen Radwegbau eingesetzt. Von den verfügbaren 4 Mio. Euro wurden somit 85 Prozent nicht genutzt.

„Die Chance, dass die für das Jahr 2016 eingestellten 8 Mio. Euro tatsächlich auch verbaut werden, ist mit Blick auf die vergangenen Jahre mehr als fraglich.
In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres wurden gerade einmal 10.500 Euro an kommunale Baulastträger ausgezahlt, was einem Anteil von 0,13 % der im Haushalt eingestellten Summe entspricht. Eine absolut negative Entwicklung“, beklagt die Abgeordnete.

„Statt die Kommunen länger allein zu lassen, sollte die Staatsregierung in ihren Koalitionsvertrag schauen und endlich eine Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte (AGFS) gründen. Nach dem Motto „Gemeinsam geht’s leichter“ finden sich Kommunen zusammen, die vor Ort für den Radverkehr Verbesserungen wollen und profitieren vom Wissenstransfer und einem wirksamen Qualitätsmanagement.“

» Mündliche Frage von Katja Meier, MdL „Förderung Radstationen in Sachsen“

» Kleine Anfrage Katja Meier: „Förderung von kommunalen Radverkehrsanlagen mit Finanzmitteln der ÖPNV-Förderung“ (Drs. 6/2878)

» Kleine Anfrage Katja Meier: „Abstellmöglichkeiten für Fahrräder an Bahnhöfen und Haltepunkten des ÖPNV im Freistaat Sachsen“ (Drs. 6/2759)

» „Radverkehrskonzeption für den Freistaat Sachsen 2014“

» Tabelle 6.4: „Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten für Kommunale Radverkehrsmaßnahmen“, Anlage zur Radverkehrskonzeption 2014

» Kleine Anfrage „Ausgereichte Fördermittel im Haushaltstitel 07 20 891 01 ‚Förderung umweltfreundlicher Verkehrsträger‘ für den Bereich Radverkehr in den Jahren 2014, 2015 und 2016“ (Drs. 6/5131) von Katja Meier, MdL

» Kleine Anfrage „Ausgereichte Fördermittel im Haushaltstitel 07 06 785 75 Bau von Radwegen in den Jahren 2014, 2015 und 2016“ (Drs. 6/5132) von Katja Meier, MdL

» Kleine Anfrage „Ausgereichte Fördermittel im Haushaltstitel 07 06 883 17 Förderung Radverkehr einschließlich SachsenNetzRad in den Jahren 2014, 2015 und 2016“ (Drs. 6/5133) von Katja Meier, MdL

 

 

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