Verbot der Gesichtsverschleierung? − Meier: Der Gesetzentwurf der AfD ist verfassungswidrig

Rede der Abgeordneten Katja Meier zum Gesetzentwurf: der AfD-Fraktion „Sächsisches Gesetz über das Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum“ (Drs. 6/6124)
58. Sitzung des Sächsischen Landtags, 30. August, TOP 2
– Es gilt das gesprochene Wort –
 
 
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Abgeordnete,
wieder einmal möchte die AfD mit einer Debatte auf Kosten von Minderheiten polarisieren und natürlich will sie sich wieder einmal mit dem Kampf für die so genannten ‚westlichen Werte‘ hervortun.
Die AfD möchte Muslima das Tragen von Burka und Niquab in der Öffentlichkeit verbieten.
Das Tragen religiöser Kleidung als Ausdruck des Glaubens, ist grundgesetzlich durch die Bekenntnisfreiheit in Artikel 4 Absatz 1 des Grundgesetzes sowie durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes und Artikel 19 der Sächsischen Verfassung geschützt.
 
Die Bekenntnisfreiheit des Grundgesetzes hat einen so hohen Stellenwert, dass sie nur durch ein anderes grundgesetzlich geschütztes Interesse, das in der Abwägung überwiegt, beschränkt werden kann.
Ein Blick ins Grundgesetz, hätte geholfen.
Denn schutzwürdige Grundrechte oder verfassungsimmanente Schranken, die ein Verbot der Gesichtsverschleierung im öffentlichen Raum rechtfertigen würden, sucht man dort vergeblich.
Dritte, also auch sie von der AfD, können sich nicht auf ihre sogenannte negative Glaubensfreiheit und das Recht berufen, im öffentlichen Raum von der Konfrontation mit fremden Glaubensbekundungen verschont zu bleiben.
Das hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt.
In einer pluralistischen Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt und in einem Rechtsstaat wie dem unseren, muss es die oder der Einzelne aushalten, Menschen mit Bukra und Niquab zu begegnen.
Als überragendes Rechtsgut führt die AfD weiterhin die >>Werteordnung eines freien und offenen Landes, in dem sich die Menschen im öffentlichen Raum gleichrangig begegnen<< an.
Was auch immer diese Werteordnung ihrer Meinung nach konkret umfassen soll – sie ist als Verfassungsgut nicht überragend – sie ist schlicht nicht existent.
Auch das oft angeführte Argument, nicht nur der AfD, die Verschleierung müsse aus sicherheitspolitischen Gründen im öffentlichen Raum verboten werden, ist ebenso untauglich, wie der vorliegende Gesetzentwurf auch inkonsequent ist.
Es gibt kein Supergrundrecht auf Sicherheit, das uferlose Überwachungsmaßnahmen und sinnlose Verbote rechtfertigen würde.
Darüber hinaus reichen derzeitige Regelungen zur Identitätsfeststellung vollkommen aus.
Es braucht keine neuen Gesetze, um Behörden vor Burkas zu schützen.
Die im Gesetzentwurf aufgeführten willkürlichen Ausnahmen, wie Volks- und Faschingsfeste oder die winterliche Kälte offenbaren dann auch die Inkonsequenz des gesamten fraglichen Konzepts der AfD.
Weshalb, meine Damen und Herren, sollte es auf einem Faschingsfest weniger gefährlich sein, vollverschleiert zu erscheinen, als anderswo?
Und warum gilt diese Ausnahme nur im Winter, aber nicht in einem kühlen Herbststurm?
Diese Regelungen sind einfach nur lächerlich.
Aber werfen wir doch mal einen Blick auf eine Realität, in der es tatsächlich ein Vollverschleierungsverbot in Deutschland gäbe.
Welche Folgen hätte ein solches Verbot?
Frauen würde verboten, bestimmte Kleidungsstücke zu tragen – zu ihrem Schutz, wie viele neue selbsternannte VerfechterInnen von Frauenrechten auch in konservativen Kreisen meinen.
In einigen Ländern ist dies bereits Realität und hat zur Polarisierung der dortigen Debatte geführt.
In Belgien setzte der Rechtsextreme Filip Dewinter nach dem Erlass des Verbots eine Belohnung von 250 Euro auf das Fotografieren und Anzeigen von Burkaträgerinnen in der Öffentlichkeit aus.
In Nizza zwangen, aufgrund des erlassenen Burkiniverbots, drei Polizisten am Strand eine Frau dazu, sich auszuziehen.
Sind das diese westlichen Werte, von denen die AfD spricht?
Pranger und demütigende, menschenverachtende Aktionen im Namen des ‚Fortschritts‘?
Ja, die Vollverschleierung ist Ausdruck eines patriarchalen Gesellschaftsbildes und einer sehr konservativen Tradition im Islam.
Das beschreibt auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International.
Es ist unsere Pflicht, Zwang und Unterdrückung gegenüber Mädchen und Frauen im Namen des Patriarchats und der Religion zu bekämpfen.
Aber ein Verbot der Vollverschleierung hilft hier nicht weiter.
Denn statt der vermeintlichen Gleichberechtigung der Frauen erreichen wir damit genau das Gegenteil.
Die Frauen werden durch ihre Männer und Väter in die privaten Wohnungen verbannt und damit aus dem öffentlichen Leben gänzlich ausgeschlossen.
Der Weg zu öffentlichen Behörden, Bildung und Arbeit wird ihnen endgültig verwehrt.
Dabei kann nur der Zugang zu Anlaufstellen und Hilfsangeboten Auswege für diejenigen schaffen, die unter der Unterdrückung leiden.
Wenn Frauen aus ihrer eigenen Überzeugung heraus selbstbestimmt religiöse Kleidung tragen, dann ist das ihr gutes Recht.
Sie per se als unmündige Wesen zu erklären ist der falsche Weg.
Mit Ihrem Gesetzentwurf werden Muslime unter Generalverdacht gestellt, Ängste und Hass in der Gesellschaft schüren und Integration verhindern.
Gerade deshalb wird die GRÜNE-Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnen.

 

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