Rede der Abgeordneten Katja Meier zum Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: „Gesetz für ein tolerantes und friedliches Zusammenleben in einem weltoffenen Sachsen“ (Drs. 6/8130)
58. Sitzung des Sächsischen Landtags, 30. August, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir sind uns einig: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus haben im Freistaat Sachsen nichts zu suchen.
Wir sind uns auch darüber einig, dass diesen Bestrebungen auf allen Ebenen entgegengetreten werden muss – vom Ministerpräsidenten bis hin zu Landräten, Bürgermeistern und den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen.
So ehrenwert das Ansinnen der Fraktion DIE LINKE ist, schon in der Verfassung deutlich zu machen, dass fremdenfeindliches, nationalsozialistisches und antisemitisches Gedankengut keinen Platz im Freistaats Sachsen hat, so wenig bringt uns ihr Vorschlag, einen neuen Artikel in die Sächsische Verfassung zu schreiben, in der Sache weiter.
Staatszielbestimmungen sind kaum justiziabel.
Aus dem von der Linken vorgeschlagenen Artikel 7a der Sächsischen Verfassung lassen sich keine subjektiven einklagbaren Rechte Einzelner oder Ermächtigungsnormen für staatliches Handeln ableiten.
Der Mehrwert des vorliegenden Gesetzentwurfs hält sich sehr in Grenzen.
Dafür greifen die vorgeschlagenen Regelungen sehr weit – zu weit! – in die Grundrechte ein, die unsere demokratische Gesellschaft tragen, allen voran die Meinungsfreiheit.
Das Grundgesetz schützt die Bürgerinnen und Bürger aber auch darin, gar keine Meinung zu haben und sich überhaupt nicht zu äußern, geschweige denn zu handeln.
Vor diesem Hintergrund sehe ich den Absatz 3 des vorgeschlagenen Artikel 7a äußerst kritisch.
Hiermit sollen das Land einerseits und die Bürgerinnen und Bürger andererseits dazu verpflichtet werden, die Wieder- und Neubelebung rassistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Bestrebungen nicht zuzulassen.
Mal abgesehen davon, dass schon in der 4. Legislatur darüber diskutiert wurde, wie genau denn die „Nichtzulassung“ aussehen soll und schon damals die schwammige, unklare, schlicht nicht justiziable Formulierungen kritisiert wurde, kann eine demokratische Gesinnung weder verordnet noch mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden.
In der demokratischen Ordnung des Grundgesetzes vollzieht sich die Meinungsbildung von unten nach oben und nicht umgekehrt.
Daher steht es dem Staat auch nicht zu, die Meinungsbildung des Volkes im Sinne einer bestimmten Meinung zu steuern oder beeinflussen zu wollen.
Soweit diese Betätigung Straftaten sind, ist sie jetzt schon verboten. Soweit sie die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt, ist sie nach § 130 StGB zu verfolgen.
Der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE hat aber auch einen äußerst begrüßenswerten Teil, dem ich im Ausschuss auch zugestimmt habe:
Aus den Artikel 18 und 116 der Verfassung soll der Begriff „Rasse“ endlich gestrichen werden.
Natur- und Sozialwissenschaften sind sich schon seit Jahrzehnten einig: Es gibt keine Rassen.
Dass sich dieser Landtag zu dieser Änderung nicht durchringen kann, liegt nicht dran, dass die Notwendigkeit von Seiten der Koalition – zumindest eines Teils – nicht erkannt worden wäre, sondern wie so oft an blinder Prinzipienreiterei.
Abschließend noch einmal zurück zur Staatszielbestimmung:
Anstatt über Begrifflichkeiten und den Sinn von Staatszielbestimmungen müssen wir über konkrete Maßnahmen im Kampf gegen Rechtsextremismus diskutieren.
Wir brauchen die zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung und gesamtgesellschaftliche Anstrengungen anstatt juristischer Definitionsdiskussionen.
Wir dürfen zum Beispiel nicht die Stärkung der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Sachsen aus den Augen verlieren, die Gefahr läuft neben der Aufarbeitung des DDR-Unrechts an Bedeutung zu verlieren.
Wichtig und gut umsetzbar ist die Weiterentwicklung und finanzielle Unterstützung von Projekten zur Extremismusprävention.
Hier gibt es von den Schulen bis in die Justizvollzuganstalten großen Handlungsbedarf.
Das sind die Maßnahmen die der Freistaat Sachsen und wir hier im Landtag unterstützen müssen anstatt theoretische juristische Diskussionen zu führen.
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