„Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen“, 2. Lesung
(Gesetzentwurf der Fraktion GRÜNE, Drs 6/12511, 7. November, TOP 6)
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Dieser Verfassungsauftrag aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes wird durch die Sächsische Staatsregierung ignoriert.
Gerade mit Blick auf den Öffentlichen Dienst und angesichts der anstehenden Altersabgänge sowie im Wettbewerb um die besten Köpfe mit anderen Bundesländern und der Wirtschaft brauchen wir einen attraktiven Öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen,
Dabei müssen die Karrierechancen für Frauen erhöht und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als eine zentrale Aufgabe wahrgenommen werden.
Bereits in der letzten Legislatur kündigte die damalige Staatsregierung die Überarbeitung des Frauenfördergesetzes an.
Das Ergebnis kennen wir.
In dieser Legislatur wiederholt sich das Trauerspiel.
Wir stehen an dem gleichen Punkt wie damals.
Ankündigung im Koalitionsvertrag, ewiges Hin und Her zwischen den Ministerien, Versprechen, Beschwichtigen, Vertrösten.
Für uns GRÜNE ist das aber alles keine Überraschung und es passt ins Gesamtbild:
Diese Koalition nimmt sich mit ihren eigenen Vorhaben nicht ernst.
Oder müsste man nicht eher konstatieren, die SPD kann sich mit ihren Forderungen nicht durchsetzen?
Während die CDU zwar gegen das Murren der SPD, aber dennoch munter Polizei- und Strafvollzugsgesetz verschärfen und mit der Gemeindeordnung die kommunale Demokratie einschränken, bleiben richtige und wichtige Anliegen der SPD, wie das Informationsfreiheitsgesetz oder das Gleichstellungsgesetz komplett auf der Strecke.
Und nicht nur, weil uns der Geduldsfaden gerissen ist, sondern auch weil wir dringenden Handlungsbedarf sehen, haben wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Anfang des Jahres ein modernes und wirksames Gleichstellungsgesetz für den sächsischen öffentlichen Dienst vorgelegt.
Mit unserem Gleichstellungsgesetz
– wird wirkliche Chancengerechtigkeit für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hergestellt,
– wird die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familienaufgaben für Frauen und Männer verbessert,
– wird es wirksame Instrumente zur Bekämpfung sexueller Belästigung geben und gezielte Maßnahmen, die Frauen zum beruflichen Aufstieg in die viel zu männlich dominierten Führungsebenen verhelfen.
Das ist mit Blick auf die aktuellen Zahlen auch dringend notwendig.
In den sächsischen Staatsministerien sind zu 62 Prozent der Frauen beschäftigt, aber nicht mal ein Drittel, sondern nur 25,5 Prozent der Führungskräfte sind weiblich.
Das muss sich ändern, und zwar schleunigst.
Die wohlfeilen Versprechungen der vergangenen Jahre sind offensichtlich nicht mehr als Schall und Rauch.
Es müssen jetzt andere Saiten aufgezogen werden … mit klaren Regeln, ohne Kann- und Soll-Vorschriften.
Das vermeintliche Totschlagargument gegen Frauenförderung auf oberen Ebenen haben wir im Innenausschusses gehört:
Wenn Frauen Führungspositionen angeboten bekommen, schlagen sie sie aus.
Das sagt allerdings weniger über die Frauen aus, sondern weitaus mehr über die Führungskultur und die Rahmenbedingungen im Innenministerium, als ihnen lieb sein dürfte.
Wir müssen endlich weg von der Präsenzkultur, in der jene befördert werden, die man am meisten im Büro sieht.
Dort wo es möglich ist, braucht es flexible Arbeitsbedingungen, die zur besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familienaufgaben führen, auch für Männer.
Unser Gleichstellungsgesetz hat den Anspruch, Frauen und Männer gleichermaßen in den Blick zu nehmen. Da ist es für uns nur folgerichtig, dass auch Männer Gleichstellungsbeauftragte sein können.
Und selbstverständlich verschließen wir nicht die Augen vor der Realität.
Insbesondere Frauen werden am Arbeitsplatz Opfer von sexueller Belästigung und Übergriffen.
Und sie brauchen in den Gleichstellungsbeauftragten geeignete Ansprechpersonen. Genau deshalb sieht unser Gesetzentwurf ein Beauftragten-Team vor, zu dem mindestens eine Frau gehören muss.
Die Kritik der Männerförderung durch das Gesetz weisen wir entschieden zurück.
Bevorzugte Einstellungen und Beförderungen gibt es nur für Frauen, dort wo sie unterrepräsentiert sind.
Sehr verehrte Damen und Herren,
im Ausschuss hieß es, die Gleichstellung sei ja „nicht das Lieblingsthema der Koalition“.
Das tut mir sehr leid, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition.
Aber Rastplätze an Bundesautobahnen sind auch nicht mein Lieblingsthema und trotzdem widme ich mich ihm mit dem gebotenen vollen Einsatz.
Das ist meine Pflicht und Verantwortung als Abgeordnete dieses Landtags.
Und ich fordere Sie auf, kommen Sie Ihrer Verantwortung nach und sorgen Sie für Chancengleichheit im öffentlichen Dienst des Freistaats Sachsen.
Die rechtlichen Voraussetzungen dafür können sie heute mit Ihrer Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf schaffen.
Vielen Dank.
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