Katja Meier im Landtag (Foto: Marlén Mieth)

Gesetzentwurf Gleichstellung im öffentlichen Dienst − Meier: Chancengerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes

Rede der Abgeordneten Katja Meier zum Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion zum Thema:
„Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/12511)
69. Sitzung des Sächsischen Landtags, 15. März, TOP 4
 
– Es gilt das gesprochene Wort –
 
 
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
 
den diesjährigen Internationalen Frauentag habe ich im Rahmen der Ausschussreise des Verfassungs- und Rechtsausschusses in der Republik Zypern verbracht. Wir hatten Gelegenheit, mit hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern des zypriotischen Parlaments, der Regierung, des dortigen Justizvollzugs, der Vereinten Nationen und der Europäischen Kommission sowie von Nichtregierungsorganisationen zu sprechen. Auffällig war dabei eins: Wir sprachen überwiegend mit Frauen. Frauen in Führungspositionen im öffentlichen Dienst.
 
Diese gibt es auch im Freistaat Sachsen. Allerdings nicht in dem Ausmaß wie wir es in Zypern erlebt haben. Der Blick auf die Ministerien ist geradezu entlarvend: Die sächsischen Staatsministerinnen machen nicht einmal 30 Prozent der Staatsregierung aus. Bei der Regierungsneubildung haben Sie, Ministerpräsident Kretschmer, vier Männer benannt, und haben verpasst ihr an ihrem Kabinett Frauen und Männern gleichberechtigt zu beteiligen.
 
Und auch innerhalb der Ministerien und Behörden lässt sich erkennen, dass die politische und inhaltliche Verantwortung, die Macht und auch der entsprechende Verdienst hauptsächlich bei den Männern bleibt. Der Frauenanteil auf der Ebene der Behörden- oder Abteilungsleiter beträgt gerade einmal 13,6 Prozent. Eine Referatsleitung haben nur zu 32,7 Prozent Frauen inne. Von den zehn sächsischen Justizvollzugsanstalten wird nur eine von einer Frau geleitet. Die obersten sächsischen Gerichte sind komplett in Männerhand.
 
Die Statistiken spiegelt sehr deutlich wider, wie es in Sachsen um die Gleichstellung von Frauen und Männern und vor allem die Chancengerechtigkeit bestellt ist. Das Signal ist eindeutig: Frauen sind im öffentlichen Dienst des Freistaats gern gesehen, machen sogar die Mehrheit aus. Aber bitte nicht in den Führungsebenen: Das muss sich ändern. Vor dem Hintergrund von Fachkräftemangel, massenweisen Altersabgängen im öffentlichen Dienst und von sich ändernden Ansprüchen der Beschäftigten aller Geschlechter an ihre Arbeit haben Sie, liebe Staatsregierung, gar keine andere Wahl, als endlich aktiv zu werden. Es geht dabei nicht nur darum, konkrete und vor allem effektive Frauenförderung in den Leitungsebenen des öffentlichen Dienstes zu betreiben. Es geht auch darum, Signale in die Gesellschaft zu senden.
 
Es geht um Chancengerechtigkeit und gleichberechtigte Teilhabe am Berufsleben für alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes.
Um diese Ziele zu erreichen, legen wir heute dem Landtag den Entwurf für ein Gleichstellungsgesetz für den öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen vor. Es handelt sich hierbei um ein progressives Gesetz, dass zuerst einmal das hoffnungslos veraltete Sächsische Frauenförderungsgesetz von 1994 ablöst. Nicht nur, dass es offensichtlich das Ziel verfehlt hat, wenn ich mir die Statistiken ansehe, auch hat sich in den letzten 24 Jahren vor allem gesellschaftlich viel verändert. Männer wollen heute mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen oder partnerschaftlich die Haushaltsaufgaben angehen. Darauf stellt sich unser Gesetzentwurf ein.
 
Er nimmt alle Beschäftigten in den Blick: Frauen, Männer und auch Personen mit einer hiervon abweichenden Geschlechtsidentität.
Das GRÜNE Gleichstellungsgesetz geht von dem Grundkonzept aus, dass die Gleichstellung der Geschlechter nur durch gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten erreicht werden kann. Deswegen schließen die Rechte und Pflichten des Gesetzes grundsätzlich alle Beschäftigten ein. Instrumentarien zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur gleichberechtigten beruflichen Entwicklung sprechen grundsätzlich Frauen und Männer an. Dennoch ist nach wie vor eine gezielte Frauenförderung, vor allem in den höheren Positionen, zwingend erforderlich. Der Gesetzentwurf sieht daher bewusst auch unter bestimmten Voraussetzungen die Bevorzugung von Bewerberinnen bei Personalentscheidungen vor.
 
Selbstverständlich liegt das grundgesetzliche Leistungsprinzip unserem Gesetzentwurf zu Grunde. Denn nur bei vergleichbarer objektiver Qualifikation und einer Unterrepräsentation von Frauen in der jeweiligen Dienststelle kommt das Geschlecht ins Spiel. Aber wodurch zeichnet sich Leistung denn aus? Durch längst mögliche Anwesenheit im Büro, egal, ob währenddessen tatsächlich gearbeitet wird? Durch möglichst viele Überstunden? Durch die (körperliche) Anwesenheit bei Dienstbesprechungen nach 16 Uhr? Kurz gesagt, durch pure Präsenz?
 
Berufliche Leistung erkennt man an Arbeitsergebnissen, erworbenen Qualifikationen, Kenntnissen und Fähigkeiten. In den meisten Fällen ist es schlicht egal, zu welcher Tageszeit und in wie vielen Stunden die Ergebnisse erzielt und Fähigkeiten angewandt wurden. Daran knüpft unser Gesetzentwurf an: Wir wollen die Abkehr von der Präsenzkultur, in der jene befördert werden, die am meisten im Büro gesehen werden. Wir wollen dort, wo es möglich ist, flexible Arbeitsbedingungen, die zur besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familienaufgaben für alle Beschäftigten führen. Anträge auf Teilzeitarbeit und Beurlaubung aus familiären Gründen müssen grundsätzlich von den Dienststellen bewilligt werden.
 
Eine Besonderheit ist dabei unsere Definition des Begriffs „Angehörige bzw. Angehöriger“ − hierunter verstehen wir auch emotionale Angehörige, also z.B. lebenslange Freunde, die keine Familie haben und während einer schweren Krankheit oder auf ihrem letzten Weg Beistand brauchen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden gesellschaftlichen Vereinzelung, rücken soziale Beziehungen außerhalb der Familie immer weiter in den Fokus. Kehrt dann jemand aus einer Eltern- oder Pflegezeit zurück, muss sichergestellt sein, dass sie oder er karrieretechnisch an dem Punkt vor der Auszeit anknüpfen kann. Das ist aktuell vor allem für Frauen, die in der Regel länger aus dem Beruf aussteigen, ein großes Problem.
 
Eigentlich gibt es schon genug eindeutige rechtliche Regelungen zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am Berufsleben. Es hapert allerdings extrem an der Umsetzung dieser Vorgaben.
 
Deswegen stärkt unser Gleichstellungsgesetz die Gleichstellungsbeauftragten in den Dienststellen, die die bisherigen Frauenbeauftragten ablösen sowie die Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten, die sachsenweit unterschiedlichste Voraussetzungen und Möglichkeiten haben. Die Gleichstellungsbeauftragten in den Dienststellen sollen nunmehr von allen Beschäftigten, also Frauen und Männern gewählt werden können. Es können sich dementsprechend auch Frauen und Männer um diese Position bewerben. Wir gehen immer von einem Team aus Gleichstellungsbeauftragter und Stellvertretung aus. Die besonderen Interessen der weiblichen Beschäftigten werden dadurch gewahrt, dass mindestens 50 Prozent dieses Teams weiblich sein müssen. Das ist unser Verständnis von Geschlechtergerechtigkeit und erhöht die Akzeptanz der Gleichstellungsarbeit in der Dienststelle.
 
Die Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten haben die Aufgabe zur Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit in der kommunalen Gesellschaft beizutragen. Dafür müssen sie über hinreichende Ressourcen verfügen und schon in kleinen Gemeinden ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hauptamtlich tätig sein. Der Gesetzentwurf legt auch zum ersten Mal fest, in welchem Umfang die hauptamtliche Tätigkeit erfolgen soll. Alle Gleichstellungsbeauftragten, also die in den Dienststellen und die in den Kommunen, erhalten umfassende Beteiligungs- und auch Initiativrechte. Verstöße gegen gleichstellungsrechtliche Regelungen können sie beanstanden und gegebenenfalls auch gerichtlich bewerten lassen.
 
Die Zeiten der stumpfen Schwerter der pro-forma-Frauenbeauftragten sind vorbei.
Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Und vielleicht schafft es ja die Koalition bis dahin auch ihren bereits für 2016 versprochenen Gesetzentwurf vorzulegen, so dass wir beide Gesetze gemeinsam diskutieren können.

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