Zur Ankündigung des Sächsischen Justizministers Sebastian Gemkow (CDU), die Strafverfolgung in Sachsen beschleunigen zu wollen, erklärt Katja Meier, rechtspolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag:
„Das Bemühen um Verfahrensbeschleunigung und -effektivierung droht zu Lasten der rechtsstaatlichen Verfahrensrechte der Beschuldigten zu gehen. Doch die Staatsanwaltschaften haben auch die Pflicht, zugunsten der Tatverdächtigen zu ermitteln. Es ist fraglich, ob das auch noch im angemessenen Maße geschieht, wenn der Sachverhalt klar und ein beschleunigtes Verfahren angezeigt erscheint. Die Belehrung der Beschuldigten über ihre Rechte im Ermittlungsverfahren gewinnt hier erheblich an Bedeutung.“
„Die Pläne des Justizministers, die Vernetzung zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten zu stärken, gehen in die richtige Richtung. Bundesweit ist Sachsen bei der Durchführung sog. beschleunigter Verfahren nach Paragraf 417 der Strafprozessordnung schon lange absolutes Schlusslicht. Die Geschehnisse in Chemnitz veranlassen nun die sächsische Justiz offenbar dazu, einen tieferen Blick in die Strafprozessordnung zu werfen.“
„Alle Hinweise zu beschleunigten Ermittlungen und Gerichtsverfahren nutzen allerdings nichts, wenn die Polizeidirektionen und Staatsanwaltschaften nicht entsprechend personell ausgestattet sind. Schnelle Ermittlungen, wie z.B. sofortige Beweisaufnahmen und Vernehmungen, binden Kräfte, die anderen Stellen fehlen. Der auch von Justizminister Gemkow angekündigte Stellenaufwuchs bei den Staatsanwaltschaften, aber noch mehr bei der Polizei ist unumgänglich.“
Hintergrund:
Im Jahr 2017 erledigten die sächsischen Strafgerichte über 35.000 Verfahren. Weniger als zwanzigmal stellten die Staatsanwaltschaften bei Anklageerhebung einen Antrag auf Durchführung eines beschleunigten Verfahrens. Das entspricht einer Quote von weniger als 0,06 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt bei etwa 2 Prozent.
Quelle: Destatis – Bundesstatistik Strafgerichte 2017 vom 24.07.2018, Seite 27.
www.google.de/url
Siehe auch: Statistisches Landesamt Sachsen – Organisation, Personal und Geschäftsanfall bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften im Freistaat Sachsen 2016, vom September 2017
www.statistik.sachsen.de/download/100_Berichte-B/B_VI_2_j16_SN.pdf
Verwandte Artikel
Frauenanteil im Landtag sinkt drastisch von 34,9 auf 27,7 Prozent – GRÜNE: Mit einem Paritätsgesetz wäre das nicht passiert
Weniger als ein Drittel der Abgeordneten des neuen sächsischen Landtags sind Frauen. Während am Ende der 6. Wahlperiode (Stichtag: 30.08.2019) 34,9 Prozent der Landtagsabgeordneten weiblich waren, wird der Landtag in…
Weiterlesen »
Radverkehrskonzeption 2019 – GRÜNE: Drei Tage vor der Wahl aufs Rad umzusatteln, ist unglaubwürdig
Meier: In fünf Jahren Amtszeit hat Minister Dulig gerade mal 42 Kilometer Radwege an Staats- und 46 Kilometer an Bundesstraßen bauen lassen. Das ist eine äußerst magere Bilanz. Dresden….
Weiterlesen »
Kriminologe kritisiert Sachsens Umgang mit Bagatelldelikten: Dafür, dass eine Null-Toleranz-Politik strafrechtliche Rückfälligkeit verhindert, existieren keine Belege
Der Tübinger Kriminologe Prof. Dr. Jörg Kinzig hat Sachsens Umgang mit Bagatelldelikten kritisiert. >>Dafür, dass eine Null-Toleranz-Politik strafrechtliche Rückfälligkeit verhindert, existieren keine Belege<<, schreibt er in einem Beitrag der aktuellen…
Weiterlesen »