Änderungen im Strafvollzugsgesetz: Koalition muss symbolpolitische Rückschritte in der Strafvollzugspolitik aufgeben!

Im Rechtsausschuss des Sächsischen Landtags wurden heute acht Sachverständige zum Gesetzentwurf der Staatsregierung ‚Gesetz über den Jugendarrestvollzug im Freistaat Sachsen sowie zur Anpassung der weiteren sächsischen Vollzugsgesetze und anderer Gesetze mit Bezug zur Justiz‘ angehört.

„Das erst im Jahr 2013 in Kraft getretene Sächsische Strafvollzugsgesetz galt mit dem Verbot der Videoüberwachung von Hafträumen und der Abschaffung des Arrests als Disziplinarmaßnahme bundesweit als fortschrittlich. Diese positive Entwicklung hin zum behandlungsorientierten Strafvollzuges soll nun aus politischen Gründen geopfert werden“, stellt Katja Meier, rechtspolitische Sprecherin der GRÜNEN-Fraktion, nach der Anhörung fest.

„Zur Prävention von gefährdendem Verhalten besteht schon nach der aktuellen Gesetzeslage die Möglichkeit der Anordnung von besonderen Sicherungsmaßnahmen gegen einzelne Gefangene, wie die Trennung von anderen Gefangenen und die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum. Im Gefängnis begangene Straftaten werden, wie außerhalb des Gefängnisses auch, zur Anzeige gebracht und strafrechtlich verfolgt. Eine Regelungslücke besteht daher nicht.“

„Der Arrest ist eine mittelalterlich anmutende Bestrafung von Fehlverhalten, bei der Gefangene für eine bestimmte Zeit isoliert in speziellen, kärglich eingerichteten Hafträumen untergebracht werden. Man muss kein Experte sein, um nachvollziehen zu können, dass dadurch aggressivem Verhalten nicht entgegengewirkt werden kann, sondern solchem Verhalten gerade neuer Boden bereitet wird“, so Katja Meier.

„Die Abschaffung des Arrests in Sachsen war ein zivilisatorischer Fortschritt und bundesweiter Meilenstein in Richtung eines menschenwürdigen Justizvollzuges. Auch durch die Abschaffung drakonischer Disziplinarmaßnamen wie des Arrests konnte sich in vielen Anstalten in Sachsen ein behandlungsfreundlicheres Klima entwickeln. Die Wiedereinführung des Arrests konterkariert nun diese Entwicklungen und schadet damit letztlich auch der allgemeinen Sicherheit.“

Die Sachverständigen machten in der Anhörung auch deutlich, dass die darüber hinaus geplante Einführung der Videoüberwachung von Hafträumen der Behandlungsbeziehung zwischen Gefangenem und Bediensteten schadet. Die Speicherung der Aufzeichnungen wurde vom sächsischen Datenschutzbeauftragten sowie von den Sachverständigen unter datenschutzrechtlichen Aspekten kritisiert.

„Der angestrebte Nutzen, insbesondere suizidgefährdete Gefangenen beobachten zu können, kann bereits im Rahmen der vorhandenen gesetzlichen Regelungen, etwa durch persönliche Beobachtung am Haftraum erreicht werden. Der persönlichen Stabilisierung von suizidgefährdeten Gefangenen ist durch eine anonyme Videoüberwachung in keiner Weise gedient“, so Meier.

„Hinsichtlich des Gesetzes über den Jugendarrestvollzug habe ich selten eine solch große Einigkeit bei den eingeladenen Fachleuten wahrgenommen. Die Sachverständigen, von den Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaft, über den ehemaligen Anstaltsleiter bis hin zur Sachgebietsleiterin der Jugendgerichtshilfe, haben deutlich gemacht, dass auch hier die vorgesehene isolierende Einzelhaft als Disziplinarmaßnahme in einem Erziehungsvollzug und somit unter pädagogischen Gesichtspunkten keine geeignete Sanktion sein kann. Sie stammt schlichtweg aus der Mottenkiste der ‘schwarzen Pädagogik‘.“

„Die Koalition ist im Ergebnis der Sachverständigenanhörung dringend aufgefordert, ihre symbolpolitischen Rückschritte in der Strafvollzugspolitik aufzugeben und zu einer von Fachkenntnis und Vernunft statt von Populismus geleiteten Vollzugspolitik zurückzukehren.“

Hintergrund:
Nach dem Suizid des mutmaßlichen Terroristen Al-Bakr in der JVA Leipzig im Oktober 2016 wurde eine Kommission eingesetzt. Diese hatte den Auftrag sowohl die polizeilichen Vorgänge als auch den Suizid in der JVA Leipzig aufzuklären und Empfehlungen auszusprechen.
Im Mai 2018 hat die sächsische Staatsregierung im Ergebnis dessen Änderungen im Strafvollzugsgesetz in den Landtag eingebracht, die nun im Rahmen einer Sachverständigenanhörung diskutiert werden.

» Gesetzentwurf der Staatsregierung ‚Gesetz über den Jugendarrestvollzug im Freistaat Sachsen sowie zur Anpassung der weiteren sächsischen Vollzugsgesetze und anderer Gesetze mit Bezug zur Justiz (Drs. 6/13475)‘

» Die Empfehlungen des Europarates zur Untersuchungshaft und zu Maßnahmen und Sanktionen gegen jugendliche Straftäter und Straftäterinnen (Nr. 95.3, 95.4)

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